Einspruch gegen die Gültigkeit der Kommunalwahl in Cottbus

Als Cottbuser Wahlberechtigter erhebe ich hiermit Einspruch gegen die Gültigkeit der Kommunalwahl in Cottbus am 28. September 2008 gemäß § 55 des Branden­burgischen Kommunalwahlgesetzes (BbgKWahlG) in allen Wahlbezirken, in denen Wahlautomaten verwendet wurden.

Durch die Verwendung von Wahlautomaten sind, insbesondere nach Bekanntwerden einer erfolgreichen Manipulation der Software weitgehend baugleicher Geräte in den Niederlanden und dem darauffolgenden Rückzug der Zulassung1 sowie aufgrund von beobachteten und berichteten Verfahrensfehlern, grundlegende Prinzipien einer fairen demokratischen Wahl nicht gewährleistet worden. Damit ist eine Verfälschung der Wahlergebnisse fahrlässig in Kauf genommen worden.

Zunächst bestreite ich die fortgesetzte Gültigkeit der Bauartzulassung der verwendeten Wahlgeräte aufgrund der erfolgreichen Manipulation weitgehend baugleicher2 Geräte in den Niederlanden.3 Diese Bauartzulassung setzt setzt die Manipulationssicherheit der Geräte voraus, die nun nachweislich nicht gegeben ist.4 Die Manipulationsgefährdung wird  auch von deutschen Distributor der Wahlgeräte eingeräumt.5 Dieser Mangel ist nicht durch eine Verwendungsgenehmigung seitens des brandenburgischen Innenministeriums behoben, sondern hätte eine prohibitive Wirkung auf den Verwendungsentscheid seitens der Cottbuser Stadtverordneten haben müssen.

Beeinträchtigung der geheimen Stimmabgabe: Die Überprüfbarkeit der Sicherstellung des Wahlgeheimnisses ist für die Öffentlichkeit nicht gegeben. Eine denkbare Verletzung wäre die Auszeichnung einer jeden Stimme mit einem Zeitstempel oder einem einfachen fortlaufenden Zähler, wodurch der einzelne Wähler identifizierbar wäre. Der einzige Schutz davor hätte in der Integrität der verwendeten Software bestanden; diese ist jedoch nicht gewährleistet worden (s. u.).

Beeinträchtigung der Öffentlichkeit der Auszählung: Auch die Öffentlichkeit der Aus­zählung und insbesondere die nachträgliche Überprüfung eines angezweifelten Ergebnisses ist nicht gewährleistet worden. Das Ergebnis ist wiederum von der ver­wendeten Software ermittelt worden, deren Integrität nicht zweifelsfrei war.

Beeinträchtigung der Transparenz des Wahlvorgangs: Ohne Not ist der transparente und ohne besondere Hilfsmittel leicht zu kontrollierende Vorgang einer Wahl mit Wahl­zettel und -urne durch die Nutzung eines komplexen computergestützten und selbst von Ex­perten nicht überprüfbares System ersetzt worden. Damit ist auch der Grundsatz der Trans­parenz verletzt worden. Bei der herkömmlichen Form der Wahl (per Wahlzettel und -urne) ist erwiesenermaßen eine öffentliche Kontrolle mit einfachen Mitteln möglich, und Mani­pulationen tragen ein hohes Risiko der Entdeckung. Durch die mangelnde Trans­parenz der Nutzung von Wahlautomaten obliegt die Beweislast eines in allen Einzel­heiten zweifelsfreien Wahlablaufs für die Wahlverantwortlichen. Da dieser Nachweis nicht geführt werden kann, muß die Wahl als potentiell manipuliert angesehen werden und ist damit ungültig.

Im Gegensatz zur Oberbürgermeisterwahl 2006 ist keine gesonderte Prüfung vor der Wahl durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt erfolgt. Für die einwandfreie Funktionalität der Software steht lediglich ein Prüfbericht der PTB ein; dessen Einzelheiten sind zwecks Schutz von Herstellerinteressen nicht einsehbar. Menschliche Irrtümer oder die Möglichkeit eines böswilligen Eingriffs eines Beteiligten (Angriff durch Innentäter, in diesem Stadium mit weitreichenden Folgen und nahezu nicht nachweisbar) lassen sich bereits in diesem Punkt nicht ausschließen.

Nach Angaben des Wahlleiters standen die Wahlcomputer bis zur Wahl in einer geschützten Umgebung. Diese Behauptung war wiederum nicht über­prüfbar. Durch diese Unterbringung sollte erreicht werden, daß eine Manipulation der Soft­ware, wie sie bei nahezu baugleichen niederländischen Wahlautomaten durchgeführt worden ist (s. Presseberichte ab dem 5. Oktober 20066) ausgeschlossen werden könne.

Auch bei dieser Wahl wurden bei der Handhabung von Wahlcomputern im Land Brandenburg durch Beobachter des Chaos Computer Club e.V. massive Mängel beobachtet.7

Aus diesen genannten Gründen ergeben sich begründete Zweifel an der Richtigkeit der erzielten Wahlergebnisse, wobei ein Eingriff in die Soft- und Hardware sowohl durch Un­befugte als auch der böswillige Eingriff durch Befugte möglich war und eine Möglichkeit zu dessen Aufdeckung effektiv nicht gegeben war. Ob eine Manipulation tatsächlich erfolgt ist, läßt sich aufgrund der dargelegten Mängel weder bestätigen noch widerlegen. Eine Wieder­holung der Wahl mit herkömmlichen und bewährten Mitteln (Wahlzettel und -urne) halte ich für unabdingbar.

Des weiteren beziehe ich mich auf die Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Bundes­verfassungsgericht zur Verwendung baugleicher Wahlcomputer bei der Bundestagswahl 20058. Die dort von den Klägern vorgebrachten Beanstandungen ttreffen auch auf die beanstandete Cottbuser Kommunalwahl zu, und ich erwarte durch ein Urteil Rück­wirkungen auf die Zulässigkeit der Verwendung der Nedap-Wahlcompute bei dieser.

Cottbus, 4. Oktober 2008, Thomas Langen

1 s. „Intrekking Regeling voorwaarden en goedkeuring stemmachines1997“ (Einzug der Regelung bezüglich der Genehmigung von Wahlautomaten 1997“, Erlaß des niederländischen Staatssekretärs für innere Angelegenheiten vom 19. Oktober 2007), http://www.wijvertrouwenstemcomputersniet.nl/images/b/b1/SC82677.pdf

2 s. Anlage zu meinem Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl 2006: „Keuring van de Nedap stemmachine ESD-1 met aanpassingen voor gebruik in Nederland“ („Prüfung des Nedap-Wahlgerätes ESD-1 mit Anpassungen zum Gebrauch in den Niederlanden“)

3 s. Anlage zu meinem Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl 2006: „Nedap/Groenendaal ES3B voting computer, a security analysis“ („ Nedap/Groenendaal ES3B Wahlgeräte, eine Sicherheitsanalyse“

4 s. Anlage zu meinem Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl 2006: „Sicherheitslücken auch in Deutschland“

5 s. Anlage zu meinem Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl 2006: Statement von Herbert Schulze Geiping, Geschäftsführer der HSG Wahlsysteme GmbH, Zu der Nachricht „Bürgerinitiative in den Niederlanden hackt Nedap Wahlmaschine“

6 s. z.B. Anlage zu meinem Einspruch gegen die Oberbürgermeisterwahl 2006: Spiegel Online: „CCC fordert Verbot von Wahlcomputern“, auch die Lausitzer Rundschau berichtete

7 s. „E-Voting in Brandenburg: Überforderte Wähler und Wahlvorstände“, http://www.heise.de/newsticker/E-Voting-in-Brandenburg-Ueberforderte-Waehler-und-Wahlvorstaende--/meldung/116730

8 s. Mündliche Verhandlung in Sachen „Wahlcomputer“, http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg08-085.html