Einspruch gegen die Gültigkeit der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus

Als Cottbuser Wahlberechtigter erhebe ich hiermit Einspruch gegen die Gültigkeit der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus am 22. Oktober gemäß §§ 55, 79 des Branden­burgischen Kommunalwahlgesetzes (BbgKWahlG) in allen Wahlbezirken, in denen Wahlautomaten verwendet wurden.

Durch die Verwendung von Wahlautomaten sind, insbesondere nach Bekanntwerden einer erfolgreichen Manipulation der Software weitgehend baugleicher Geräte in den Niederlanden und aufgrund von selbst beobachteten und berichteten Verfahrensfehlern, grundlegende Prinzipien einer fairen demokratischen Wahl nicht gewährleistet worden. Damit ist eine Verfälschung der Wahlergebnisse fahrlässig in Kauf genommen worden.

Zunächst bestreite ich die fortgesetzte Gültigkeit der Bauartzulassung der verwendeten Wahlgeräte aufgrund der erfolgreichen Manipulation weitgehend baugleicher1 Geräte in den Niederlanden.2 Diese Bauartzulassung setzt setzt die Manipulationssicherheit der Geräte voraus, die nun nachweislich nicht gegeben ist.3 Die Manipulationsgefährdung wird mittlerweile auch von deutschen Distributor der Wahlgeräte eingeräumt.4

Beeinträchtigung der geheimen Stimmabgabe: Die Überprüfbarkeit der Sicherstellung des Wahlgeheimnisses ist für die Öffentlichkeit nicht gegeben. Eine denkbare Verletzung wäre die Auszeichnung einer jeden Stimme mit einem Zeitstempel oder einem einfachen fortlaufenden Zähler, wodurch der einzelne Wähler identifizierbar wäre. Der einzige Schutz davor hätte in der Integrität der verwendeten Software bestanden; diese ist jedoch nicht gewährleistet worden (s. u.).

Beeinträchtigung der Öffentlichkeit der Auszählung: Auch die Öffentlichkeit der Aus­zählung und insbesondere die nachträgliche Überprüfung eines angezweifelten Ergebnisses ist nicht gewährleistet worden. Das Ergebnis ist wiederum von der ver­wendeten Software ermittelt worden, deren Integrität nicht zweifelsfrei war.

Beeinträchtigung der Transparenz des Wahlvorgangs: Ohne Not ist der transparente und ohne besondere Hilfsmittel leicht zu kontrollierende Vorgang einer Wahl mit Wahl­zettel und -urne durch die Nutzung eines komplexen computergestützten und selbst von Ex­perten nicht überprüfbares System ersetzt worden. Damit ist auch der Grundsatz der Trans­parenz verletzt worden. Bei der herkömmlichen Form der Wahl (per Wahlzettel und -urne) ist erwiesenermaßen eine öffentliche Kontrolle mit einfachen Mitteln möglich, und Mani­pulationen tragen ein hohes Risiko der Entdeckung. Durch die mangelnde Trans­parenz der Nutzung von Wahlautomaten obliegt die Beweislast eines in allen Einzel­heiten zweifelsfreien Wahlablaufs für die Wahlverantwortlichen. Da dieser Nachweis nicht geführt werden kann, muß die Wahl als potentiell manipuliert angesehen werden und ist damit ungültig.

Laut Pressemitteilung der Wahlleiterin5 sind die Wahlautomaten vor dem 15. Oktober 2006, also mindestens eine Woche vor dem Wahltermin, geprüft und versiegelt worden. Dabei ist lediglich ein Vergleich der zu diesem Zeitpunkt installierten Software mit der von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt worden. Für die einwandfreie Funktionalität der Software steht lediglich ein Prüfbericht der PTB ein; dessen Einzelheiten sind zwecks Schutz von Herstellerinteressen nicht einsehbar. Menschliche Irrtümer oder die Möglichkeit eines böswilligen Eingriffs eines Beteiligten (Angriff von innen, in diesem Stadium mit weitreichenden Folgen und nahezu nicht nachweisbar) lassen sich bereits in diesem Punkt nicht ausschließen.

Nach dieser Prüfung standen die Wahlautomaten nach Angaben der Wahlleiterin bis zur Wahl in einer geschützten Umgebung. Diese Behauptung war wiederum nicht über­prüfbar. Durch diese Unterbringung sollte erreicht werden, daß eine Manipulation der Soft­ware, wie sie bei nahezu baugleichen niederländischen Wahlautomaten durchgeführt worden ist (s. Presseberichte ab dem 5. Oktober 20066) ausgeschlossen werden könne. Dem steht jedoch entgegen, daß die Wahlautomaten vor der Wahl in die Wahllokale geliefert wurden und dort bis zum Eintreffen des Wahlvorstandes nicht oder nur un­zureichend bewacht wurden. Ein Zugriff von außen war zumindest zu diesem Zeitpunkt möglich. Aus eigener Beobachtung im Wahllokal 4105 ergibt sich, daß die zur Aufdeckung eines solchen Zugriffs dienenden (unzureichenden) Sicherheitsmaßnahmen bei der Inbe­trieb­nahme des Wahlgerätes nicht ergriffen wurden: Weder wurde die Prüfsumme, die die Integrität der Soft- und Hardware nachweisen soll (und die selbst nur durch manipulierbare Software erzeugt wird) und die Gerätesiegel überprüft, noch vergewisserte sich der Wahl­vorstand, daß alle Zählerstände auf Null standen. Die endgültige Auszählung der Stimmen (Auslesen der Speicherchips) fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Diese Ver­säumnisse lassen nicht eindeutig erkennen, ob sie eine Manipulation „von innen“, also durch eine oder mehrere Personen mit Zugang zu den Wahlautomaten vor der Wahl, dienen sollen, oder ob sie lediglich auf eine fahrlässige Mißachtung grundlegender demokratischer und sicherheitstechnischer Prinzipien darstellen.

Ähnliche und darüber hinausgehende Mängel wurden auch vom Chaos Computer Club e.V. beobachtet.7

Aus diesen genannten Gründen ergeben sich begründete Zweifel an der Richtigkeit der erzielten Wahlergebnisse, wobei ein Eingriff in die Soft- und Hardware sowohl durch Un­befugte als auch der böswillige Eingriff durch Befugte möglich war und eine Möglichkeit zu dessen Aufdeckung effektiv nicht gegeben war. Ob eine Manipulation tatsächlich erfolgt ist, läßt sich aufgrund der dargelegten Mängel weder bestätigen noch widerlegen. Eine Wieder­holung der Wahl mit herkömmlichen und bewährten Mitteln (Wahlzettel und -urne) halte ich für unabdingbar.

Cottbus, 30. Oktober 2006, Thomas Langen (Dipl.-Ing.)

1s. Anlage: „Keuring van de Nedap stemmachine ESD-1 met aanpassingen voor gebruik in Nederland“ („Prüfung des Nedap-Wahlgerätes ESD-1 mit Anpassungen zum Gebrauch in den Niederlanden“)

2s. Anlage: „Nedap/Groenendaal ES3B voting computer, a security analysis“ („ Nedap/Groenendaal ES3B Wahlgeräte, eine Sicherheitsanalyse“

3s. Anlage: „Sicherheitslücken auch in Deutschland“

4s. Anlage: Statement von Herbert Schulze Geiping, Geschäftsführer der HSG Wahlsysteme GmbH, Zu der Nachricht „Bürgerinitiative in den Niederlanden hackt Nedap Wahlmaschine“

5s. Anlage: „Wahlgeräte in der Kritik“

6s. z.B. Anlage: Spiegel Online: „CCC fordert Verbot von Wahlcomputern“, auch die Lausitzer Rundschau berichtete

7s. Anlage: „Bericht der CCC-Wahlbeobachtergruppe von der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus“